Argumente gegen WhatsApp

Patric Steiner · January 31, 2021

Privatsphäre ist eine Grundlage der Menschenrechte. Sie sollte der Standard sein, nicht die Ausnahme. Aber leider ist das nicht mehr der Fall. Alles, was irgendwie geht, wird überwacht, gespeichert und für manipulative Zwecke verwendet. Ich finde, dagegen sollten wir uns wehren. Ein einfacher aber wichtiger Schritt, den wir machen können, ist auf die Verwendung von WhatsApp zu verzichten.

“Mir doch egal, was die mit meinen Daten machen”

Das ist leider die Meinung vieler Leute. Ed Snowden erwidert sie folgendermassen:

Ultimately, saying that you don’t care about privacy because you have nothing to hide is no different from saying you don’t care about freedom of speech because you have nothing to say. Or that you don’t care about freedom of the press because you don’t like to read. Or that you don’t care about freedom of religion because you don’t believe in God.

Edward Snowden

Genau so wie zum Beispiel die Meinungsfreiheit fundamental für eine funktionierende Demokratie ist, ist Privatsphäre eine Grundvoraussetzung für die Meinungsfreiheit. Wenn man nicht mehr in einem vertrauten Kreis private Unterhaltungen führen kann, kann es plötzlich schwierig werden, eine eigene Meinung zu äussern, die nicht der der Mehrheit entspricht. Und damit liefe man sehr schnell in Probleme… In China zum Beispiel ist die Überwachung bereits so weit vorangeschritten, dass es kaum mehr ein Zurück gibt. Wir haben noch die Möglichkeit, etwas zu ändern. Und das sollten wir.

Argumente gegen WhatsApp

  • WhatsApp und Facebook sammeln unglaublich viele deiner Daten und rauben dir somit einen grossen Teil deiner Privatsphäre, ob du das willst oder nicht.
  • Deine Nachrichten werden zwar verschlüsselt, aber Metadaten werden nicht verschlüsselt! Und die sind oft wichtiger als die Nachrichten selbst!
  • WhatsApp ist nicht open source (quelloffen). Das heisst im Wesentlichen, dass wir nie 100% sicher sein können, ob WhatsApp uns die Wahrheit sagt oder nicht (z.B. bzgl. Verschlüsselung).
  • Facebook (sowie viele andere auch) legt im Hintergrund ein Profil von dir an (ein digitaler Fingerabdruck), anhand dem du identifiziert und verfolgt wirst.
  • Die riesigen Mengen von gesammelten Daten werden für oft sehr unmoralische Zwecke verwendet (z.B. Beeinflussung Kaufverhalten, politische Einstellung, Weltansicht, zukünftige Arbeitsstellen bzw. Verweigerung deren, …).
  • Und damit verdienen sie unglaublich viel Geld. (Man überlege sich: Obwohl WhatsApp für Nutzer gratis ist und auch keine Werbung zeigt, hat Facebook 19 Milliarden USD dafür bezahlt. *)
  • WhatsApp hat in vielen Ländern das Messenger Monopol und damit sehr viel Macht. Monokulturen sind selten eine gute Idee. Wäre schön, wenn wir das zumindest in der Schweiz ändern könnten.
  • Sitz ist in den USA und unterliegt somit den teils fragwürdigen amerikanischen Gesetzen (oder eben nicht)… Und ja, die europäischen Datenschutzrichtlinien sind etwas strikter. Aber die Snowden Leaks haben gezeigt, dass nicht nur in Amerika, sondern weltweit vieles ganz und gar nicht gesetzeskonform zu und her geht.
  • Wir können nie 100% sicher sein, dass es keine Backdoor (Hintertür mit Vollzugriff) gibt. Wenn es eine gibt, dann wird das früher oder später von Regierungen und Kriminellen ausgenutzt werden, denn es gibt keine good-guys-only backdoor.
  • Gewisse Länder bannen sichere Messenger und lassen nur WhatsApp zu. Warum sollte die Regierung das tun? Das ist doch irgendwie besorgniserregend…
  • Gibt es irgend ein Pro-Argument, abgesehen von “alle anderen nutzen auch WhatsApp, darum brauche ich es auch”? Und das ist in meinen Augen ein ziemlich schwaches Argument. Nur weil alle etwas tun, heisst das noch lange nicht, dass es das Richtige ist… Und in diesem Fall ist zum Glück nur wenig Aufwand nötig, um das zu ändern!

* Ja, es gibt noch WhatsApp Business, aber das allein kann ja nicht der Grund sein…

Und jetzt?

Es gibt hervorragende Alternativen zu WhatsApp! Sei es Threema, Signal, Element, Briar, … Überlege dir, worauf du Wert legst und wähle einen passenden Messenger aus, jeder hat seine eigenen Vor- und Nachteile. Wenn du nicht lange überlegen willst, dann ist wohl Signal die nächstbeste Wahl.

Warum Signal?

  • Der Code ist open source und somit verifizierbar (d.h. man kann einfach selber überprüfen, ob Signal wirklich nur das macht, was behauptet wird, und keine bösen Sachen *).
  • Sichere Verschlüsselung von allen Inhalten, auch für Metadaten.
  • Die Nachrichten werden auf deinem lokalen Gerät gespeichert, nicht auf Signals Server. Signal speichert nur das Minimum das technisch nötig ist, um zu funktionieren.
  • Signal ist bereits sehr verbreitet, also wirst du auch viele deiner Kontakte bereits auf Signal finden.
  • Signal ist äusserlich sehr ähnlich wie WhatsApp, also wirst du dich nicht umgewöhnen müssen.
  • Im Gegensatz zu WhatsApp wird Signal von einer non-profit Organisation entwickelt und lebt von Spenden und Freiwilligen, die sich für bessere Privatsphäre einsetzen. Klingt das nicht viel vertrauenswürdiger als Facebook, die mit deinen Daten Milliarden $$$ machen?
  • Mit Signal kannst du Nachrichten schreiben, die sich nach einer bestimmten Zeit selbst zerstören.
  • Es gibt aber natürlich auch Nachteile:
    • Signal benötigt eine Telefonnummer, also anonym bist du nicht (aber die Leute, mit denen du kommunizierst, kennen dich ja wahrscheinlich ohnehin - und abgesehen davon kommt niemand an deine Nummer). Hat dafür den Vorteil, dass du deine vorhandenen Kontakte verwenden kannst. Wenn du das nicht willst, wäre Threema eine weitere gute Alternative.
    • Auch Signal ist USA basiert.
    • Hat keine Stories. Für mich persönlich kein Nachteil, denn das gehört ohnehin nicht in einen Messenger (und interessierst du dich wirklich dafür, was die Leute da posten, oder ist es nur zusätzliche Zeitverschwendung?)
    • * Wie die meisten Messaging Apps benötigt Signal trotz allem einen Server, um zu funktionieren, und das bedingt ein gewisses Vertrauen. Um komplett “trustless” und anonym unterwegs zu sein, müsste man eine dezentrale (Peer to Peer) Lösung verwenden, die im besten Fall noch über ein Onion Netzwerk läuft. Briar wäre hier eine interessante Option.

Der Wechsel ist ein kleiner Aufwand und es lohnt sich, wirklich. Sag das den Leuten, die dir wichtig sind. Hast du noch Gruppenchats auf WhatsApp, die du brauchst? Es geht schnell, auch diese Gruppenchats aufzuklären und zu migrieren, also keine Ausrede…

Und wenn du schon dabei bist: Empfehlungen für eine bessere Privatsphäre

  • Falls noch nicht gemacht: Verwende eine der oben genannten moralischen Messenger Alternativen, wie z.B. Signal oder Threema. Informiere deine Kontakte und deinstalliere danach WhatsApp.
  • Alle Einstellungen/Berechtigungen auf deinem Handy & PC durchgehen und alles, was nicht unbedingt nötig ist, ausschalten/verbieten (z.B. Microsoft Cortana - braucht das echt jemand?).
  • Chrome deinstallieren und einen anderen Browser verwenden, wie z.B. Brave oder Firefox.
  • DuckDuckGo anstelle von Google als Suchmaschine verwenden.
  • Folgende (Firefox) Addons installieren: *

* Ein Gegenargument für mehrere Browser Addons ist, dass hierdurch Fingerprinting vereinfacht werden kann. Also wer auf Firefox verzichten kann, sollte einen Browser wie Brave in Betracht ziehen.

Und wer noch weiter gehen will:

  • Neue Email Adresse erstellen bei einem Anbieter, der deine Privatsphäre nicht verletzt, wie z.B. ProtonMail.
  • Einen vertrauenswürdigen VPN Tunnel verwenden (eine verschlüsselte Verbindung mit einem Virtual Private Network). Dabei solltest du dir aber im Klaren sein, dass du hier einfach die Vertrauensbasis von deinem ISP (z.B. Swisscom) zum VPN verschiebst - also überleg dir gut, welchen VPN du nimmst.
  • Oder sogar eine kleine Performance Einbusse in Kauf nehmen und den TOR Browser verwenden, damit du nicht mal mehr deinem VPN vertrauen musst und mit höchstmöglicher Anonymität im Internet unterwegs bist.
  • Linux anstatt Windows verwenden.
  • Kein Handy verwenden (egal, welche Vorkehrungen du triffst, sogar wenn du einen alten Knochen verwendest: Das Handynetz kann nicht genutzt werden, ohne getrackt zu werden). Denkst du, GPS ausschalten hilft zu verbergen, wo du bist? Falsch gedacht. Mit WiFi und Bluetooth kann man dich fast genauso gut orten, indem man sich die verfügbaren Netzwerke und Geräte in der Nähe anschaut. Und wenn du WiFi und Bluetooth auch ausschaltest? Dein Handy kommuniziert immer noch mit Telefonnetzantennen (wie sonst sollte dich jemand anrufen können?). Durch Triangulation bist du immer noch sehr gut ortbar. Telefon ausschalten? Sogar das kann noch Informationen preisgeben.

Soziale Medien

Es versteht sich von selbst, dass bei der Benutzung von Diensten wie Instagram, Facebook, TikTok etc. eine anonyme und Privatsphäre respektierende Nutzung nicht möglich ist, denn diese Dienste leben ja genau von deinen Daten. Das ist aber nochmal ein anderes Thema. Der Film The Social Dilemma verbildlicht die Problematik mit sozialen Medien sehr treffend und ist einfach verständlich. Sehr sehenswert, wenn man denkt, soziale Medien seien kein Problem für die Menschheit.

Fazit

Die Massenüberwachung und die damit verbundene Verletzung der Privatsphäre ist leider nicht so einfach fassbar, aber langfristig eine sehr ernst zu nehmende Gefahr für unsere Freiheit. Mit ziemlich wenig Aufwand kannst du deine Privatsphäre ziemlich stark verbessern. Tu dir und der Welt einen gefallen und sei dir über die Situation und die Möglichkeiten bewusst. Je mehr Leute das tun, desto stärker können wir uns gegen die massive Überwachung wehren und uns für eine bessere Zukunft einsetzen.